[ Pobierz całość w formacie PDF ]

die Mauern dieser Stadt errichtet worden waren. Und er war viel, viel
mehr, als die meisten Menschen hier ahnten; mehr als eine zufllig
Ansammlung von Bumen und Unterholz, viel mehr als ein un-
durchdringlicher Dschungel, der unbekannten Tieren ein Zuhause bot
und in dem der Ursprung zahlloser Legenden und Mrchen lag. Der
Wald war Unterschlupf, Nahrungsquelle, Freund und Feind zugleich,
108
ein Ort, an dem alles Leben seinen Platz hatte und an dem Zeit so
wenig galt wie der Wille eines Menschen. onenlang hatte er Tieren
und Pflanzen Schutz geboten, und sie alle hatten das einzige, unaus-
gesprochene Gesetz respektiert, das in seinen Grenzen galt: nmlich
da niemand mehr zu nehmen berechtigt war, als er zurckgab.
Alle - bis auf die Menschen.
Sie waren anders. Sie nahmen, aber sie gaben nichts. Sie rodeten
den Wald, um ihre Felder anzulegen und Platz fr ihre Huser zu
schaffen, sie schlugen Bume, um sie zu verbrennen, um Zune oder
Schiffe daraus herzustellen, und sie rodeten das Unterholz, um Wege
fr ihre Wagen und Pferde anzulegen.
Der Wald hatte all dies erduldet.
Er war gigantisch, und er war im Grunde unsterblich. Gro genug,
um selbst diesen Angriff kaum zu spren, und langlebig genug, um
zu wissen, da die Menschen eines Tages wieder gehen muten, er
aber noch immer da sein wrde. Trotz allem hatten die Menschen in
einem vielleicht nicht ganz ausgewogenen, aber doch ertrglichen
Gleichgewicht mit dem Eichenwald gelebt. Sie nahmen mehr, als sie
ihm gaben, aber er war gro genug, diesen Verlust auszugleichen,
und geduldig genug, ihn zu verzeihen.
Dann aber hatte sich etwas gendert. Diesen Teil der Geschichte las
Hendrick nicht in Ellas Augen, doch er wute trotzdem, wann die
Vernderung eingetreten war: mit dem Tode seines Vaters. Der alte
Knig hatte ihm ein Reich hinterlassen, das er nicht haben wollte,
und eine Verantwortung und Last, mit der er nicht fertig wurde, und
so war ihm die Macht im Lande Stck fr Stck entglitten. Andere
hatten pltzlich das Sagen, und diesen anderen waren die Geschenke
des Waldes lngst nicht genug. Sie rodeten mehr Wald. Sie schlugen
mehr Bume, und sie jagten mehr Tiere, als sei dies die einzige Auf-
gabe des Menschengeschlechtes, von allem immer mehr zu tun, ganz
gleich, ob gut oder schlecht.
Die Wunden, die sie dem Wald zufgten, wrden nie wieder heilen,
und sie hielten nicht inne in ihrem Tun, sondern wurden immer gie-
riger. Und schlielich hatte die Natur angefangen, sich zu wehren.
Aus dem Geschft auf Gegenseitigkeit war ein Kampf geworden, den
109
die Menschen vielleicht noch gar nicht bemerkt hatten, obwohl er
lngst entbrannt war. Fr die Natur war es ein Kampf ums berle-
ben, und auch fr die Menschen wrde es ein Kampf auf Leben und
Tod werden, denn die strengen Winter der letzten Jahre, die den
Menschen immer mehr zusetzten, die Unwetter und berschwem-
mungen, die die Ernten verdarben und die wilden Tiere, die in gre-
rer Zahl aus dem Wald hervorbrachen und seine menschlichen Be-
wohner berfielen, dies alles war nicht mehr als ein Vorgeschmack
dessen, was kommen wrde, wenn sie nicht innehielten. Eine War-
nung, vielleicht eine allerletzte Chance. Dies alles begriff Prinz
Hendrick in einem einzigen Moment, indem er Ella in die Augen sah
und die Botschaft las, die darin geschrieben stand: Wach auf, Tru-
mer. Sieh in den Spiegel, und wach auf, ehe es zu spt ist!
Das werde ich, flsterte er. Langsam lste er sich von seinem
Platz und trat auf das Eis hinaus. Ein flchtiger Ausdruck von Schre-
cken huschte ber Ellas Gesicht, und sie machte eine hastige Bewe-
gung auf ihn zu und streckte gleichzeitig die Arme aus.
Doch es war zu spt. Prinz Hendrick verlor auf dem spiegelglatten
Untergrund den Halt, rang einen Moment lang mit wild rudernden
Armen um sein Gleichgewicht und brachte sich natrlich allein da-
durch schon vollends aus der Balance. Er strzte nach hinten, schlug
schwer mit dem Kopf auf dem Eis auf und hrte einen vielstimmi-
gen, entsetzten Aufschrei.
Ein dumpfer Schmerz scho durch seinen Schdel, und er sprte,
wie die Finsternis ihre dunklen Hnde nach ihm ausstreckte. Mit aller
Macht kmpfte er dagegen an, fhlte aber zugleich auch selbst, da
er diesen Kampf verlieren wrde. Hnde griffen nach ihm. Stimmen
schrien wild durcheinander, und in all diesem Lrm und Durcheinan-
der hrte er eine einzelne, besonders laute Stimme, die immer wie-
der: Mrder! Mrder! schrie. Sie hat den Prinzen umgebracht!
Hendrick erkannte diese Stimme sogar. Sie gehrte Nadja, der
Tochter des Grafen. Ihre Behauptung war absurd, fhrte aber nichts-
destotrotz dazu, da der Ruf aufgenommen wurde und sich wie ein
Lauffeuer ber dem Marktplatz ausbreitete.
Sie hat den Prinzen umgebracht!
110
Es war nicht wahr! Er mute ihnen sagen, da -
Prinz Hendrick verlor das Bewutsein. Er bemerkte nicht mehr, wie
Ella und ihre gesamte Familie von den Wachen ergriffen und brutal
fortgeschleift wurde.
111
13
Das war vielleicht nicht besonders klug, Herr, sagte einer seiner
beiden Begleiter, kaum da sie das Haus verlassen hatten. Er sprach
leise, aber seiner Stimme war die Nervositt deutlich anzuhren, und
sie war wohl auch der Grund, aus dem der Soldat berhaupt den Mut
aufgebracht hatte, diese Worte auszusprechen.
Nicht, da er nicht etwa Recht gehabt htte&
Kraftstein htte sich am liebsten selbst geohrfeigt. Er hatte seine
Worte im gleichen Moment schon wieder bedauert, in dem sie ihm
herausgerutscht waren, aber da war es zu spt gewesen. Weder ihm
noch seinen beiden Begleitern war das drohende Funkeln in den Au-
gen des schwarzgekleideten Hnen entgangen; ebensowenig wie die
verstohlenen Blicke, die die anderen Krieger miteinander getauscht
hatten.
Du meinst, ihm zu sagen, da ich in die Stadt zurckreiten und das
Geschft mit seinem Herrn zunichte machen werde? fragte Kraft-
stein.
Der Mann nickte nervs. Ja. Verzeiht meine Offenheit, Herr, aber-
[ Pobierz całość w formacie PDF ]

  • zanotowane.pl
  • doc.pisz.pl
  • pdf.pisz.pl
  • markom.htw.pl